Es gab eine Zeit, da war Werder Bremen
für die Ausrufezeichen in der Bundesliga zuständig. Diese Zeit ist
offensichtlich vorbei. Die Leistung der Mannschaft wirft derzeit vor
allem Fragen auf. Unter anderem die nach Trainer Thomas Schaaf.
Eins vorweg: Es fällt mir nicht
leicht, kritisch über Thomas Schaaf zu schreiben. Immerhin verdanke
ich ihm einige meiner schönsten Momente als Fan. Und viele Jahre
lang war Kritik ja auch nicht erforderlich. Der Erfolg gab Schaaf
recht, so einfach war das mal. Jetzt bleibt der Erfolg aus, und die Sache
wird komplizierter.
Rückblick: Dass es nach zwei mäßigen
Spielzeiten in dieser Saison nicht so weitergehen konnte wie bisher,
haben die Verantwortlichen bei Werder Bremen im Sommer nicht nur
völlig richtig erkannt. Sie haben das auch so kommuniziert und
entsprechend gehandelt. Die Schlüsselwörter in der Sommerpause
lauteten: Umbruch und Potenzial. Das machte Lust auf die Saison
2012/13, das weckte Erwartungen, das schürte die Hoffnung, dass aus
Werder wieder eine Mannschaft würde, die um die europäischen Plätze
mitspielt.
Jetzt, rund acht Monate später, da die
zweite Liga näher ist als die Europa League, ist immer noch vom
Umbruch die Rede und vom Potenzial, das in der Mannschaft steckt.
Potenzial allerdings, das die Spieler viel zu selten auf den Platz
bringen. Und ein Umbruch, der so in Gewohnheit erstarrt ist, dass
Talente wie Yildirim, Trybull und Hartherz selbst dann keine Chance
bekommen, wenn es bei den Stammspielern nicht läuft – wie zuletzt
beim 0:1 gegen Augsburg. Eine Weiterentwicklung ist ebensowenig zu
erkennen wie Konstanz, da die gelegentlichen Lichtblicke leider nur
genau das sind: gelegentliche Lichtblicke.
Vor dem Augsburg-Spiel hat Thomas
Schaaf im Interview bei Sky darauf hingewiesen, dass es nicht am
mangelnden Willen der Mannschaft liege. Werder sei, was die
Laufleistung pro Spiel angehe, unter den besten Mannschaften der
Liga. Was unweigerlich Fragen aufwirft: Ja, wo laufen sie denn hin?
Und warum überhaupt? Fragen, die der Trainer beantworten muss. Denn
in einer idealen Welt tun seine Spieler ja genau das, was er ihnen
vorgibt.
Mein Eindruck ist allerdings: Die
Spieler wissen gar nicht so genau, was sie tun sollen. Das liegt aber
nicht daran, dass Schaaf ihnen keinen Plan vorgibt. Ich glaube
vielmehr, dass das Gegenteil der Fall ist. Schaafs Taktik ist
überkomplex; er stellt seine Spieler vor zu viele Aufgaben, sie
müssen auf dem Platz zu viele Rollen übernehmen. Die Folge ist,
dass es im Werder-Spiel kaum klare (und einfache) Aktionen gibt.
Darunter leidet das Spiel nach vorn, weil der Ballführende oft erst
einmal schauen muss, welche Rolle seine Mitspieler gerade ausfüllen.
Automatismen, blindes Verständnis gar – Fehlanzeige. Darunter
leidet aber auch die Defensive, wenn eben die Defensiv-Rollen nicht
adäquat ausgefüllt werden. Wohin das führt, war bei der Niederlage
in München zu sehen: 25 Minuten lang beschränkten sich die Bremer
auf den Plan, den FC Bayern nicht ins Spiel kommen zu lassen, und
kaum wagten sie sich an einen weiteren, einen offensiveren Matchplan,
da ging es dahin. Werder kommt mir vor wie eine Primaballerina,
die sich in einer komplizierten Schrittfolge verheddert und auf den
Hintern fällt.
Eine Mannschaft – gerade eine
Mannschaft im Umbruch, in der viele junge Spieler noch an ihr
Potenzial herangeführt werden müssen – braucht ein klares
taktisches Konstrukt, auf das sie sich zurückziehen kann, auf das
sie aufbauen kann. Dass Schaaf es nicht schafft, dem Team wenigstens
diese Grundlagen zu vermitteln, dass er vielmehr auf offensichtliche
und lange bekannte Mängel nicht reagiert (zum Beispiel darauf,
dass eigene Ecken für das Werder-Tor oft gefährlicher sind als für
das Tor des Gegners – Stichwort: Automatismen) und dass er den
eingeleiteten Umbruch nicht konsequent umsetzt und weiteren Talenten Spielpraxis gibt (und die Chance, ihr Potenzial zu zeigen),
damit andere Spieler regenerieren können, das alles spricht gegen Thomas Schaaf.
So schwer es mir fällt, das zu sagen:
Wenn Schaaf es nicht schafft, diese Defizite schnellstens abzustellen, dann ist er
nicht mehr der richtige Trainer für diese Mannschaft.
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