Samstag, 12. Januar 2013

Viel fürs Auge, wenig fürs Hirn - Die Bond-Plakate-Ausstellung im Museum Folkwang

Auf den letzten Drücker habe ich es noch geschafft und mir die Ausstellung „Bond, James Bond“ in Essen angesehen. Zwei Monate lang hat das Deutsche Plakatmuseum im Museum Folkwang zum Goldenen Jubiläum der Bond-Filme eine Auswahl von rund 120 internationalen Filmplakaten und Entwürfen zu allen Filmen (inklusive dem Nicht-Eon-Film Sag Niemals Nie) sowie etwa 80 Fotos von den Dreharbeiten der Filme gezeigt. Die Exponate stammen im Wesentlichen aus den privaten Sammlungen von Thomas Nixdorf, der auch ein Buch über die James-Bond-Plakate veröffentlicht hat, und Robert Ganz. Zum Teil waren sie erstmals öffentlich zu sehen. Dass mich die Ausstellung dennoch nicht restlos begeistert hat, lag weniger an den Ausstellungsstücken, sondern daran, was das Museum mit ihnen gemacht hat – nämlich zu wenig.

Die Ausstellung soll mehr als eine reine Bilderschau. Und das ist grundsätzlich ein guter Ansatz. So ging es inhaltlich um acht Themenbereiche: Gentleman, Gegenspieler, Architektur, Gewalt, Erotik und Technik sowie Product Placement und Ableger/Parodien. Jeder Themenblock wurde durch ausgewählte Plakate veranschaulicht. So gab es im Erotik-Abschnitt das vielleicht interessanteste Exponat: den Entwurf eines deutschen Posters für Feuerball aus dem Jahr 1965, der von der FSK abgelehnt wurde, und die endgültige Version des Plakats, wie sie in Deutschland gezeigt wurde. Der Unterschied: Auf dem abgelehnten Plakat gewähren die Bond-Girls einen Einblick in den Ausschnitt, in der genehmigten Version sind sie an entscheidenden Stellen deutlich mehr verhüllt. Dass die Zensoren schon ein paar Jahre später keinen Anstoß mehr an solcher Freizügigkeit nahmen, zeigen andere Plakate der Ausstellung recht eindrucksvoll.

Die Besucher der Ausstellung werden mit einem kurzen erklärenden Text auf die Intention der einzelnen Abschnitte hingewiesen. Und darin liegt der Schwachpunkt. Denn die Einführungen gehen nicht weit genug, manchmal kommen sie über banale Erkenntnisse nicht hinaus. Was fehlt, ist eine Einordnung der Plakate in den Kontext. Der Besucher erfährt oft nicht, warum ihm an einer bestimmten Stelle gerade dieses oder jenes Plakat gezeigt wird. Klar, manchmal ist das auch nicht nötig. Dass mit Nacktheit in den 60er-Jahren noch anders umgegangen wurde als heute (oder schon in den 70ern), das kann sich der Besucher auch noch selbst zusammenreimen. Aber wie sich das Konzept des Gentleman über die Jahrzehnte gewandelt hat, oder ob sich das Konzept eben nicht gewandelt hat, dafür aber der Charakter von James Bond und, falls ja, warum, welche Rolle die Architektur früher spielte, heute aber nicht mehr, oder vielleicht doch, und, und, und... Auf diese Fragen gibt es allenfalls eine oberflächliche Antwort.

Gut möglich (und zu hoffen), dass es im Katalog zur Ausstellung tiefgründiger zur Sache geht. Der war leider im Museumsshop schon ausverkauft, sodass ich diese Frage (noch) nicht beantworten kann. Zur Ausstellung an sich lautet mein Fazit daher: Viel fürs Auge, wenig fürs Hirn.

Tipp: Eine kleine Bilderstrecke zur Ausstellung gibt es hier, ein Interview mit Thomas Nixdorf hier.

Mittwoch, 9. Januar 2013

Die lange, ungezeigte Suche nach Mr. White

„Ein Quantum Trost“ ist die direkte Fortsetzung von „Casino Royale“. Zwischen dem Ende des einen und dem Beginn des zweiten Films vergehen nur wenige Minuten erzählter Zeit. Dass zwischen den Geschichten, die die beiden Filme erzählen, erheblich mehr Zeit vergangen ist, lässt sich aber erst in der gemeinsamen Betrachtung beider Filme erkennen. Dann wird klar: In „Casino“ hat es einen Zeitsprung gegeben.

„Casino“ endet vor einem Anwesen am Gardasee, wo 007 dem mysteriösen Mr. White ins Bein schießt und sich ihm dann vorstellt: „The name is Bond. James Bond.“ „Quantum“ eröffnet mit einer furiosen Verfolgungsjagd am Gardasee, in der Bond seine Gegner zunächst abschütteln und dann nach Siena fahren kann. Dort öffnet er den Kofferraum seines arg demolierten Aston Martin und sagt zu Mr. White, der darin liegt: „It's time to get out.“

Dieser nahtlose Übergang (ver)führt dazu, zu glauben, dass auch die Geschichten der beiden Filme unmittelbar aufeinander aufbauen. Tatsächlich aber vergeht in „Casino“ zwischen dem großen Finale in Venedig und der Schlusssequenz mit Bond und Mr. White eine Menge Zeit. Zeit, in der Bond nach White gesucht hat - eine Geschichte, die in „Casino“ jedoch nicht erzählt wird. Dass es aber diesen Zeitsprung gegeben haben muss, wird in „Quantum“ klar: zum Beispiel an den wiederkehrenden Charakteren René Mathis und Felix Leiter.

Mathis sieht man in „Casino“ zuletzt, als er Bond im Sanatorium besucht, wo der sich von der erlittenen Folter erholt. Da Bond glaubt, Mathis habe ihn verraten, endet das Wiedersehen damit, dass MI6-Agenten Mathis betäuben und davon schleifen. In „Quantum“ treffen wir Mathis wieder, der inzwischen in einer hübschen Villa in Italien lebt. Wie sich herausstellt, hat der MI6 ihn verhört und schließlich gehen lassen. Offenbar hat der Geheimdienst ihm auch seine neue Bleibe finanziert, wo Mathis eine Art Ruhestand genießt. Das alles – Mathis' Befragung, seine Freilassung, die Entschädigung und der Umzug ins neue Heim – dürfte einige Zeit in Anspruch genommen haben.

Und auch für Felix Leiter hat sich zwischen „Casino“ und „Quantum“ eine Menge getan. In „Casino“ ist er noch als Agent in Montenegro unterwegs, darf Bond mit einer kräftigen Finanzspritze unterstützen und ihm so ermöglichen, sein Duell mit Le Chiffre fortzusetzen. In „Quantum“ ist Leiter plötzlich am anderen Ende der Welt aktiv – und das in leitender Funktion. Zwar wird der Titel nicht erwähnt, aber Leiter hat mittlerweile wohl die Position des stellvertretenden Chefs der Südamerika-Abteilung inne. Dafür spricht, dass er am Ende von „Quantum“ zum neuen Leiter der Abteilung befördert wird. Leiter hat also einen ganz ordentlichen Karrieresprung hingelegt. An seinem Aufstieg innerhalb der CIA dürfte er während des Zeitsprungs in „Casino“ gearbeitet haben.

Zwar wird in „Casino“ nicht klar, wie viel Zeit Bond im Sanatorium verbringt, um wieder auf die Beine zu kommen. Und es lässt sich auch nicht abschätzen, wie lang er schon mit Vesper unterwegs war, bevor die beiden nach Venedig kommen. Doch es gibt Hinweise darauf, dass diese Zeit nicht allzu lang war. „M won't miss me for a couple of days“, sagt Bond, nachdem er die Klinik verlassen hat und mit Vesper an einem einsamen Strand liegt. Und weiter: "She'll be too busy sweating Mathis.“ Mathis wird also noch verhört. In Venedig angekommen, fragt Vesper Bond, bevor sie zur Bank geht, wie viel Geld die beiden brauchen werden, um sich wie geplant einen Monat lang durch die Weltgeschichte treiben zu lassen – ein Indiz dafür, dass die Zeit des Treibenlassens noch nicht wirklich begonnen hat. Und auch nach dem Finale in Venedig ist Mathis noch im Gewahrsam des MI6. „Keep sweating Mathis“, sagt Bond zu M, als sie über den Tod von Vesper sprechen. Dann stellt M noch fest, dass die Spur zu den Hintermännern kalt sei. Und Bond entdeckt in Verspers Handy die Telefonnummer von Mr. White, die die Spur wieder heiß macht.

Nun kommt der Zeitsprung: Bond macht sich daran, den mysteriösen Mr. White aufzuspüren. Was sich offenbar durchaus schwierig gestaltet. Denn immerhin wird, während Bond nach White sucht, Mathis für unschuldig erklärt und entschädigt und Leiter zum zweiten Mann der CIA in Südamerika befördert. Allein, was Bond in dieser Zeit genau treibt und wie groß die Zeitspanne ist, bleibt ein Geheimnis. Denn in „Casino“ geht es direkt mit der letzten Sequenz weiter, an die „Quantum“  dann nahezu nahtlos anschließt.