Freitag, 8. März 2013

Jake Bugg in Köln: Große Musik, nicht großes Gehabe

Eine Rampensau ist Jake Bugg nun wirklich nicht. Im Gegenteil: Da steht ein schmächtiger, blasser und noch sehr junger Mann auf der Bühne im Bürgerhaus Stollwerck, dem großes Gehabe offensichtlich ein Gräuel ist. Groß ist an diesem Konzertabend in Köln vor allem die Musik.


Jake Buggs selbstbetiteltes Debüt-Album, das spät im vergangenen Jahr erschienen ist, zählt zu den besten Platten des Jahres. Doch die hohen Erwartungen werden anfangs ein wenig enttäuscht. Das Konzert beginnt eher schleppend: Fire, Kentucky und Love Me the Way You Do sind Buggs Opener, sehr countryesk und leider nur mäßig mitreißend. Auch Bugg selbst ist sehr zurückhaltend. Fast schon schüchtern steht der 19-Jährige auf der Bühne, begrüßt artig sein Publikum, sagt jeden Song kurz an und bedankt sich hinterher brav mit einem „Thank you!“. Er wirkt wie der Oberschüler, der, die Gitarre umgeschnallt, zum Abi-Ball aufspielen darf.

Dass er sich auch im weiteren Verlauf des Abends eher unaufgeregt durch sein rund 70-minütiges Programm spielt und dabei anscheinend nicht einmal ins Schwitzen gerät, mag man ihm hinterher aber gar nicht zum Vorwurf machen. Denn statt selbst eine Show abzuziehen, stellt er die Musik in den Mittelpunkt. Und die packt einen spätestens ab Song Nummer vier. Mit Trouble Town und dem darauf folgenden Seen It All nimmt die ganze Angelegenheit Tempo auf. Der verhaltene Beginn ist schnell vergessen.

Neben der Qualität der Songs beeindruckt auch die Art und Weise, wie gut Bugg und Band, bestehend aus Bassist und Schlagzeuger, harmonieren. Sie sind nur zu dritt, aber es fehlt einem an nichts. Schlagzeug und Bass legen das Fundament, auf dem sich Bugg bei krachigeren Nummern wie Lighning Bolt austoben kann. Aber auch die Stimmungswechsel sitzen, sodass das Konzert etwa bei Someplace gerade noch auf der schönen Seite von Kitsch bleibt. „And yes, you just run to him, and I'll be down on my knees begging you, begging you: Don't! I love you“, singt Bugg, dazu tanzen Lichtflecken von der angestrahlten Discokugel durch den Saal, und für einen Moment ist man selbst wieder der Teenager mit dem gebrochenen Herzen. Ein Gefühl, das schnell vergeht, weil Bugg mit Two Fingers nachlegt und man nicht umhin kann, den Refrain mitzusingen: „I got out, I got out, I'm alive but I'm here to stay!“ Längst hat Bugg sein Publikum im Griff, es ist ein tolles Konzert geworden.

Dass auch Jake Bugg selbst Spaß an diesem Abend in Köln gehabt haben könnte, zeigt er erst, als er zur Zugabe – das großartige Broken und Johnny Cashs Folsom Prison Blues – wieder auf die Bühne kommt. „Thank you“, sagt er einmal mehr, und aus dem Publikum ruft ein weiblicher Fan: „No, thank you!“. Ein Lächeln huscht über Buggs Gesicht.

Sonntag, 3. März 2013

Werder Bremen: Wie eine gestürzte Primaballerina

Es gab eine Zeit, da war Werder Bremen für die Ausrufezeichen in der Bundesliga zuständig. Diese Zeit ist offensichtlich vorbei. Die Leistung der Mannschaft wirft derzeit vor allem Fragen auf. Unter anderem die nach Trainer Thomas Schaaf.

Eins vorweg: Es fällt mir nicht leicht, kritisch über Thomas Schaaf zu schreiben. Immerhin verdanke ich ihm einige meiner schönsten Momente als Fan. Und viele Jahre lang war Kritik ja auch nicht erforderlich. Der Erfolg gab Schaaf recht, so einfach war das mal. Jetzt bleibt der Erfolg aus, und die Sache wird komplizierter.

Rückblick: Dass es nach zwei mäßigen Spielzeiten in dieser Saison nicht so weitergehen konnte wie bisher, haben die Verantwortlichen bei Werder Bremen im Sommer nicht nur völlig richtig erkannt. Sie haben das auch so kommuniziert und entsprechend gehandelt. Die Schlüsselwörter in der Sommerpause lauteten: Umbruch und Potenzial. Das machte Lust auf die Saison 2012/13, das weckte Erwartungen, das schürte die Hoffnung, dass aus Werder wieder eine Mannschaft würde, die um die europäischen Plätze mitspielt.

Jetzt, rund acht Monate später, da die zweite Liga näher ist als die Europa League, ist immer noch vom Umbruch die Rede und vom Potenzial, das in der Mannschaft steckt. Potenzial allerdings, das die Spieler viel zu selten auf den Platz bringen. Und ein Umbruch, der so in Gewohnheit erstarrt ist, dass Talente wie Yildirim, Trybull und Hartherz selbst dann keine Chance bekommen, wenn es bei den Stammspielern nicht läuft – wie zuletzt beim 0:1 gegen Augsburg. Eine Weiterentwicklung ist ebensowenig zu erkennen wie Konstanz, da die gelegentlichen Lichtblicke leider nur genau das sind: gelegentliche Lichtblicke.

Vor dem Augsburg-Spiel hat Thomas Schaaf im Interview bei Sky darauf hingewiesen, dass es nicht am mangelnden Willen der Mannschaft liege. Werder sei, was die Laufleistung pro Spiel angehe, unter den besten Mannschaften der Liga. Was unweigerlich Fragen aufwirft: Ja, wo laufen sie denn hin? Und warum überhaupt? Fragen, die der Trainer beantworten muss. Denn in einer idealen Welt tun seine Spieler ja genau das, was er ihnen vorgibt.

Mein Eindruck ist allerdings: Die Spieler wissen gar nicht so genau, was sie tun sollen. Das liegt aber nicht daran, dass Schaaf ihnen keinen Plan vorgibt. Ich glaube vielmehr, dass das Gegenteil der Fall ist. Schaafs Taktik ist überkomplex; er stellt seine Spieler vor zu viele Aufgaben, sie müssen auf dem Platz zu viele Rollen übernehmen. Die Folge ist, dass es im Werder-Spiel kaum klare (und einfache) Aktionen gibt. Darunter leidet das Spiel nach vorn, weil der Ballführende oft erst einmal schauen muss, welche Rolle seine Mitspieler gerade ausfüllen. Automatismen, blindes Verständnis gar – Fehlanzeige. Darunter leidet aber auch die Defensive, wenn eben die Defensiv-Rollen nicht adäquat ausgefüllt werden. Wohin das führt, war bei der Niederlage in München zu sehen: 25 Minuten lang beschränkten sich die Bremer auf den Plan, den FC Bayern nicht ins Spiel kommen zu lassen, und kaum wagten sie sich an einen weiteren, einen offensiveren Matchplan, da ging es dahin. Werder kommt mir vor wie eine Primaballerina, die sich in einer komplizierten Schrittfolge verheddert und auf den Hintern fällt.

Eine Mannschaft – gerade eine Mannschaft im Umbruch, in der viele junge Spieler noch an ihr Potenzial herangeführt werden müssen – braucht ein klares taktisches Konstrukt, auf das sie sich zurückziehen kann, auf das sie aufbauen kann. Dass Schaaf es nicht schafft, dem Team wenigstens diese Grundlagen zu vermitteln, dass er vielmehr auf offensichtliche und lange bekannte Mängel nicht reagiert (zum Beispiel darauf, dass eigene Ecken für das Werder-Tor oft gefährlicher sind als für das Tor des Gegners – Stichwort: Automatismen) und dass er den eingeleiteten Umbruch nicht konsequent umsetzt und weiteren Talenten Spielpraxis gibt (und die Chance, ihr Potenzial zu zeigen), damit andere Spieler regenerieren können, das alles spricht gegen Thomas Schaaf.

So schwer es mir fällt, das zu sagen: Wenn Schaaf es nicht schafft, diese Defizite schnellstens abzustellen, dann ist er nicht mehr der richtige Trainer für diese Mannschaft.