Mittwoch, 9. Januar 2013

Die lange, ungezeigte Suche nach Mr. White

„Ein Quantum Trost“ ist die direkte Fortsetzung von „Casino Royale“. Zwischen dem Ende des einen und dem Beginn des zweiten Films vergehen nur wenige Minuten erzählter Zeit. Dass zwischen den Geschichten, die die beiden Filme erzählen, erheblich mehr Zeit vergangen ist, lässt sich aber erst in der gemeinsamen Betrachtung beider Filme erkennen. Dann wird klar: In „Casino“ hat es einen Zeitsprung gegeben.

„Casino“ endet vor einem Anwesen am Gardasee, wo 007 dem mysteriösen Mr. White ins Bein schießt und sich ihm dann vorstellt: „The name is Bond. James Bond.“ „Quantum“ eröffnet mit einer furiosen Verfolgungsjagd am Gardasee, in der Bond seine Gegner zunächst abschütteln und dann nach Siena fahren kann. Dort öffnet er den Kofferraum seines arg demolierten Aston Martin und sagt zu Mr. White, der darin liegt: „It's time to get out.“

Dieser nahtlose Übergang (ver)führt dazu, zu glauben, dass auch die Geschichten der beiden Filme unmittelbar aufeinander aufbauen. Tatsächlich aber vergeht in „Casino“ zwischen dem großen Finale in Venedig und der Schlusssequenz mit Bond und Mr. White eine Menge Zeit. Zeit, in der Bond nach White gesucht hat - eine Geschichte, die in „Casino“ jedoch nicht erzählt wird. Dass es aber diesen Zeitsprung gegeben haben muss, wird in „Quantum“ klar: zum Beispiel an den wiederkehrenden Charakteren René Mathis und Felix Leiter.

Mathis sieht man in „Casino“ zuletzt, als er Bond im Sanatorium besucht, wo der sich von der erlittenen Folter erholt. Da Bond glaubt, Mathis habe ihn verraten, endet das Wiedersehen damit, dass MI6-Agenten Mathis betäuben und davon schleifen. In „Quantum“ treffen wir Mathis wieder, der inzwischen in einer hübschen Villa in Italien lebt. Wie sich herausstellt, hat der MI6 ihn verhört und schließlich gehen lassen. Offenbar hat der Geheimdienst ihm auch seine neue Bleibe finanziert, wo Mathis eine Art Ruhestand genießt. Das alles – Mathis' Befragung, seine Freilassung, die Entschädigung und der Umzug ins neue Heim – dürfte einige Zeit in Anspruch genommen haben.

Und auch für Felix Leiter hat sich zwischen „Casino“ und „Quantum“ eine Menge getan. In „Casino“ ist er noch als Agent in Montenegro unterwegs, darf Bond mit einer kräftigen Finanzspritze unterstützen und ihm so ermöglichen, sein Duell mit Le Chiffre fortzusetzen. In „Quantum“ ist Leiter plötzlich am anderen Ende der Welt aktiv – und das in leitender Funktion. Zwar wird der Titel nicht erwähnt, aber Leiter hat mittlerweile wohl die Position des stellvertretenden Chefs der Südamerika-Abteilung inne. Dafür spricht, dass er am Ende von „Quantum“ zum neuen Leiter der Abteilung befördert wird. Leiter hat also einen ganz ordentlichen Karrieresprung hingelegt. An seinem Aufstieg innerhalb der CIA dürfte er während des Zeitsprungs in „Casino“ gearbeitet haben.

Zwar wird in „Casino“ nicht klar, wie viel Zeit Bond im Sanatorium verbringt, um wieder auf die Beine zu kommen. Und es lässt sich auch nicht abschätzen, wie lang er schon mit Vesper unterwegs war, bevor die beiden nach Venedig kommen. Doch es gibt Hinweise darauf, dass diese Zeit nicht allzu lang war. „M won't miss me for a couple of days“, sagt Bond, nachdem er die Klinik verlassen hat und mit Vesper an einem einsamen Strand liegt. Und weiter: "She'll be too busy sweating Mathis.“ Mathis wird also noch verhört. In Venedig angekommen, fragt Vesper Bond, bevor sie zur Bank geht, wie viel Geld die beiden brauchen werden, um sich wie geplant einen Monat lang durch die Weltgeschichte treiben zu lassen – ein Indiz dafür, dass die Zeit des Treibenlassens noch nicht wirklich begonnen hat. Und auch nach dem Finale in Venedig ist Mathis noch im Gewahrsam des MI6. „Keep sweating Mathis“, sagt Bond zu M, als sie über den Tod von Vesper sprechen. Dann stellt M noch fest, dass die Spur zu den Hintermännern kalt sei. Und Bond entdeckt in Verspers Handy die Telefonnummer von Mr. White, die die Spur wieder heiß macht.

Nun kommt der Zeitsprung: Bond macht sich daran, den mysteriösen Mr. White aufzuspüren. Was sich offenbar durchaus schwierig gestaltet. Denn immerhin wird, während Bond nach White sucht, Mathis für unschuldig erklärt und entschädigt und Leiter zum zweiten Mann der CIA in Südamerika befördert. Allein, was Bond in dieser Zeit genau treibt und wie groß die Zeitspanne ist, bleibt ein Geheimnis. Denn in „Casino“ geht es direkt mit der letzten Sequenz weiter, an die „Quantum“  dann nahezu nahtlos anschließt.

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